Kann es sein, dass Narzissmus das Produkt eines Erziehungsirrtums ist?
„Die Phänomene, die ich in meiner Praxis immer häufiger sehe, sprechen dafür“, sagt die Psychotherapeutin und Vorsitzende der Gesellschaft für Logotherapie und Existenzanalyse, Dr. Helene Drexler.
„Gerade noch so euphorische Eltern, die das Beste für ihre Kinder wollten, berichten – manchmal fast beschämt – von unerwarteten Eskapaden ihrer Sprösslinge. Der Nachwuchs scheint mit den gut gemeinten, edlen Vorstellungen ihrer Eltern nichts am Hut zu haben, ja sie scheinen diese geradewegs ad absurdum führen zu wollen.“
Viele Eltern wollen das Beste für ihr Kind, denn es ist ihr größter Schatz. Ihm wollen sie alles ermöglichen, die Welt zu Füßen legen. In dieser einfachen, nachvollziehbaren Absicht sind auch schon unsere Zutaten für eine Entwicklung zur narzisstischen Persönlichkeit enthalten.
Eine eklatante Zunahme narzisstischer Phänomene erlebt die Autorin in ihrer Praxis. Einen entscheidenden Auslöser dieser Entwicklung ortet sie in den unerwünschten Nebenwirkungen durchwegs gut gemeinter pädagogischer Konzepte. Im ersten Teil ihres Buches präsentiert Drexler ihre Beobachtungen zur Erziehungspraxis in ironischer Weise zuerst als „Narzissmusrezept“, um sich dann im zweiten Teil mit der Narzissmusentwicklung aus psychotherapeutischer Sichtweise auseinanderzusetzen. Im dritten Teil widmet sich Drexler dann der Frage, wie eine gesunde Selbstwertentwicklung gelingen kann und gibt Anregungen zur erzieherischen Prophylaxe – für Eltern und pädagogische Fachkräfte. Dabei geht es darum auf Basis eines wertschätzenden Blicks Kindern Leitfigur zu sein und sich mit ihnen in rückmeldender Weise auseinanderzusetzen.
Zum Buch:
Der große Erziehungsirrtum
Wie wir unsere Kinder zu Narzissten machen
von Dr. Helene Drexler, 152 Seiten, ISBN: 9783903229433
Zur Autorin:
Helene Drexler ist seit mehr als dreißig Jahren als Klinische Psychologin, Gesundheitspsychologin und Psychotherapeutin in freier Praxis tätig. Sie studierte Psychologie und Pädagogik in Wien und absolvierte die Ausbildung zur Psychotherapeutin mit Fachrichtung Logotherapie und Existenzanalyse. Seit 1993 ist sie für die Gesellschaft für Logotherapie und Existenzanalyse (GLE) als Lehrtherapeutin, Supervisorin und Ausbildnerin tätig. Drexler leitet das GLE-Institut Wien und ist seit 2021 Vorstandsvorsitzende der GLE Österreich.
Anhand vieler Beispiele aus ihrer psychotherapeutischen Praxis zeigt Drexler, wie sich narzisstische Entwicklungen auch auf falsch verstandene Erziehungsideale zurückführen lassen können. „Viele pädagogische Konzepte wurden in den letzten 30 Jahren entwickelt, die Respekt und Wertschätzung Kindern gegenüber ins Zentrum rückten. Das ist auch gut so“, sagt Drexler. „Aber wenn die besten Absichten übers Ziel schießen, können die besten Absichten im Dienst der Kinder auch den Narzissmus befördern.“
Hauke Wagner
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