
Nachdem der Zoo im April 2021 vom NABU als Schwalbenfreundliches Haus ausgezeichnet wurde, folgte nun die nächste Auszeichnung für den Schutz bedrohter heimischer Arten.
Hinter der Scheibe wildes Flattern, vor der Scheibe drei Beobachter: Kurator Max Birkendorf und Revierleiter Henrik Spilling werden heute begleitet von Oliver Meier-Ronfeld, Fledermaus-Experte und ehrenamtlicher Gutachter des NABU Rheinland-Pfalz. Draußen ist es noch fast winterlich kalt, in der Prinz Maximilian zu Wied-Halle ist es allerdings sommerlich warm. Um die südamerikanischen Brillenblattnasen, die sich hinter der Scheibe über Bananen her machen, soll es aber heute nicht gehen, sondern um die einheimischen Verwandten und deren Schutz im Zoo Neuwied.

Deshalb geht es für die Gruppe zurück in die Kälte und weiter zum von Spilling betreuten Huftierstall, wo sich hoch an den Stallwänden einige hölzerne Fledermauskästen befinden. Diese hatte der Zoo über die Weihnachtswunschliste erhalten, auf Wunsch von Spilling: „Ich war schon als Kind fasziniert von Fledermäusen und habe mich für den Schutz der heimischen Arten eingesetzt“, erinnert sich der Tierpfleger grinsend. „Umso besser, wenn wir das hier im Zoo nun auch vorantreiben können.“ Mit geschultem Auge begutachtet Meier-Ronfeld das Gelände. Ein Kasten hängt nicht ganz optimal, denn: „Der Kasten ist zu dicht an einem Zaun montiert, außerdem gibt es recht viel Gebüsch, da haben die Fledermäuse nicht genug Platz, um ein und aus zu fliegen“, erklärt der Gutachter. Das Problem lässt sich aber leicht beheben, denn hohe, freistehende Wände gibt es auf dem Huftier-Plateau vor dem Stall genug. Und da entdeckt Meier-Ronfeld noch etwas: Kleine schwarz-braune Krümelchen an einer der Stall-Wände – Fledermauskot! „Das ist der beste Hinweis auf ein bereits vorhandenes Fledermaus-Quartier“, sagt er begeistert. „Fledermaus-Kot lässt sich von Mäusekot am besten dadurch unterscheiden, dass er quasi zu Staub zerfällt, wenn man ihn in der behandschuhten Hand zerreibt. Außerdem glitzert er etwas, wie Feenstaub“, grinst Meier-Ronfeld.

Das liegt an den nicht verdauten Chitin-Anteilen der Insekten, die die heimischen Fledermäuse fressen. Bis zu 1,5 kg an Insekten kann eine Fledermaus in einem Sommer verdrücken. In ihren Sommerquartieren leben Männchen und Weibchen getrennt. Die Weibchen ziehen dann in den sogenannten Wochenstuben den Nachwuchs groß. In der Regel bekommt ein Weibchen nur ein Jungtier, mit vermehrungsfreudigen Mäusen haben die Fledertiere also eigentlich nichts zu tun.
Hinter der Holzverkleidung des Stallgebäudes befindet sich nun also ein solches Sommer- oder Frühjahrsrevier, in dem nach Meinung von Meier-Ronfeld stolze 40 bis 50 Tiere Platz finden könnten. „Man muss das Quartier allerdings im Frühjahr beobachten, ob es tatsächlich noch genutzt wird. Denn aktuell befinden sich die Fledermäuse noch im Winterschlaf.“
Heimische Fledermäuse verbringen tatsächlich einen großen Teil des Jahres schlafend. Ende Oktober ziehen sich Männchen und Weibchen in gemeinsame Winterquartiere zurück. Diese sollten kühl sein – etwa zwischen drei und fünf Grad Celsius. Besonders wichtig ist ein konstantes Mikroklima, weshalb es für die Fledermäuse verheerend sein kann, wenn man sie in ihrem Winterquartier stört. Schon warmes Ausatmen kann die Luft leicht erwärmen und die Fledermäuse aus dem Schlaf erwecken. Das kostet sie wertvolle Energie und kann im schlimmsten Fall auch lebensbedrohlich werden.
Die Gruppe aus Gutachter, Kurator und Revierleiter zieht weiter in das nächste Revier: Im Wald, genauer gesagt, auf der Känguru-Wiese, ist der perfekte Lebensraum für das Mausohr. Diese große Fledermausart hat eine Spannweite von bis zu 40 cm, ist in heimischen Wäldern zu Hause und freut sich über wenig Unterholz, wie es auf der Känguru-Wiese gegeben ist. Das Mausohr jagt seine Beute nämlich nicht im Flug, sondern macht sie mit seinem guten Geruchssinn am Boden aus und erjagt sie im Sturzflug mit kurzer Landung.
Gemeinsam mit dem Gutachter entdecken Spilling und Birkendorf noch mehr Quartiere, die für die Fledermäuse in Frage kommen – oder sogar schon genutzt werden. Sogar das Raubtier-Haus scheinen sich ein paar Männchen als Tagesquartier ausgesucht zu haben. Vom Besucherweg aus lässt sich leicht der dort angebrachte Fledermauskasten sehen. Die Fledermäuse bevorzugen allerdings die schmalen Ritzen unter der Holzverkleidung.
Nach dieser erfolgreichen Begehung stellt sich nun die Frage: Bietet der Zoo Neuwied neben den südamerikanischen Brillenblattnasen auch heimischen Fledermäusen ein Zuhause? Gutachter Meier-Ronfeld ist überzeugt: „Man muss die möglichen Quartiere im Frühjahr noch etwas beobachten. Das Zoogelände eignet sich aber hervorragend für gleich mehrere heimische Fledermausarten, allen voran die Zwergfledermaus.“
Birkendorf freut sich über die Auszeichnung: „Der Zoo hat den heimischen Fledermäusen einiges zu bieten, was uns sehr freut. Gleiches soll natürlich für die Zoobesucher gelten! An vielen Stellen des Zoos findet man bereits Informationen über die ‚Schönen der Nacht‘, das wollen wir gerne noch weiter ausbauen. Man darf gespannt sein!“
Und so heißt es nun im Zoo Neuwied: „Fledermäuse und Fledermaus-Freunde Willkommen!“
Text und Fotos © Zoo Neuwied
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