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Entscheidunjg des Monats Haftung Hund - was,wer,warum und wann





Über den Hund wird oft gesagt, dass er „der beste Freund des Menschen!“ ist. Wo viel Freude ist, kann aber auch ab und zu Leid liegen. Fragen, die sich dann stellen, sind häufig: Welche Ansprüche habe ich, wenn ich durch das Tier eines anderen verletzt werde? Wer haftet? Wirkt es sich aus, wenn mein eigenes Tier in Unfallnähe war? Das Landgericht Köln hat nun in einem Fall entschieden, dass Ansprüche aus der sogenannten Tierhalterhaftung bei einem eigenen Verschulden des Geschädigten gegen sich selbst und einer mitwirkenden Gefahr des eigenen Hundes ausscheiden. 




 

Die Klägerin ist Halterin eines Hundes namens „Atlas“ (Namen jeweils geändert), die Beklagte ist Halterin eines Hundes „Flynn“. Gemeinsam hatten sie schon mehrmals Wegstrecken mit diesen beiden zurückgelegt. Am Unfalltag spazierten die Parteien mit ihren Hunden auf einem Weg in Leverkusen, der eine wechselnde Breite von maximal einem Meter hat, nicht gerade verläuft und auf beiden Seiten von Sträuchern und Bäumen gesäumt ist. Die Beklagte lief dabei unmittelbar vor der Klägerin. Die Hunde, beide nicht angeleint, befanden sich zunächst vor den Parteien und liefen frei herum. Sodann kehrte „Atlas“ zurück und lief an den Parteien vorbei. Etwas später kam auch „Flynn“ zurück, rannte auf die Beklagte zu, die einen Schritt zur Seite machte. „Flynn“ lief sodann weiter und prallte mit hoher Geschwindigkeit gegen das linke Bein der Klägerin, die sich hierbei eine Tibiakopffraktur zuzog und „Flynn“ nicht kommen sah.

 

Mit ihrer Klage fordert die Klägerin von der Beklagten im Wesentlichen ein Schmerzensgeld nicht unter 5.000 € sowie Ersatz für ihren Ausfall in der Haushaltsführung (sog. Haushaltsführungsschaden). Dies stützt sie insbesondere darauf, dass zwischen der Rückkehr von „Atlas“ und der von „Flynn“ 40 Sekunden oder eine Minute gelegen hätten. Zu diesem Zeitpunkt hätten sich die Hunde nicht in einem gemeinsamen Spiel befunden. Der Abstand der beiden Hunde habe gut 20 Meter betragen. Sie habe „Flynn“ deshalb nicht kommen sehen, da die Beklagte ihr die Sicht verdeckt habe.Die Beklagte stellt sich insbesondere auf den Standpunkt, beide Hunde hätten miteinander gespielt.  Im Zeitpunkt des Unfalls habe sich „Flynn“ in der Verfolgung von „Atlas“ befunden. Sie ist der Ansicht, es habe sich neben der Tiergefahr beider Hunde auch ein Mitverschulden der Klägerin verwirklicht. Da beide Hunde unstreitig abgeleint waren, hätten sie erhöhter Aufmerksamkeit bedurft. Sie behauptet, aus vorangegangenen Spaziergängen sei der Klägerin bekannt gewesen, dass der eine Hund stets dem anderen folge.

 

Das Landgericht Köln hat die Klage nach persönlicher Anhörung der Parteien mit seinem Urteil vollumfänglich abgewiesen. Die Kammer führt in ihrer Entscheidung zu den rechtlichen Rahmenbedingungen aus, dass Ansprüche der Klägerin aus der sogenannten Tierhalterhaftung (vgl. § 833 S. 1 BGB) als auch aus der sogenannten unerlaubten Handlung (vgl. § 823 Abs. 1 BGB) ausscheiden würden. Zwar habe die

Beklagte als Halterin des Hundes „Flynn“ grundsätzlich für die sog. typische Tiergefahr einzustehen, die sich auch verwirkliche, wenn ein Hund einen Menschen umrenne. Jedoch müsse sich die Klägerin vorliegend, die Tiergefahr ihres eigenen Hundes „Atlas“ als auch ein eigenes Verschulden anrechnen lassen. Im Innenverhältnis zur Beklagten führe dies im Ergebnis dazu, dass die Klägerin allein verpflichtet sei, da sie ein Verschulden (gegen sich selbst) treffe, während die Beklagte nur aus Gefährdungsgesichtspunkten haften würde (Sinngehalt des § 840 Abs. 3 BGB).

 

In ihrer Begründung hat die Kammer dabei zunächst geprüft, ob eine Tierhalterhaftung vorliegend ganz wegen eines stillschweigend vereinbarten Haftungsausschlusses oder unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr ausscheiden könnte, dies aber verneint. Denn anders als bei einem Trainer oder Dompteur, habe die Klägerin hier keine unmittelbaren Einwirkungsmöglichkeiten auf den Hund der Beklagten durch das bloße gemeinsame Spazierengehen erhalten. Zudem habe die Klägerin auch nicht bewusst ungewöhnliche Risiken übernommen, da es sich um das normale Spiel von nur zwei Hunden, die sich zudem schon kannten und die viel Platz hatten, handele.

 

Jedoch müsse sich die Klägerin, so die Kammer weiter, anspruchsmindernd die Tiergefahr ihres eigenen Tieres „Atlas“ anrechnen lassen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei Voraussetzung dafür, dass die typische Tiergefahr des Tieres des Geschädigten bei der Entstehung des Schadens mitgewirkt hat. Dies sei insbesondere bei einem unberechenbaren und selbständigen Verhalten des Tieres der Fall, anders als wenn das Tier lediglich der Leitung und dem Willen eines Menschen folge. Allerdings können bereits von einem Tier ausgehende und auf ein anderes Tier einwirkende Reize eine für einen Schaden mitursächliche Tiergefahr darstellen. Im vorliegenden Fall komme es für die Kammer daher nicht darauf an, ob die Hunde sich unmittelbar vor dem Unfall noch im Jagdspiel befunden haben. Vielmehr genüge es, dass „Flynn“ dem klägerischen Hund „Atlas“ nachgelaufen sei. 

 

Dies wiederum steht für die Kammer bereits nach den äußeren Umständen, welche die Parteien in ihrer persönlichen Anhörung vorgetragen haben, fest. Sie seien sich beide darin einig gewesen, dass zwischen der Rückkehr von „Atlas“ und der von „Flynn“ nur eine kurze Zeitspanne vergangen sei, wobei es keinen entscheidenden Unterschied mache, ob die Schätzung der Klägerin (maximal eine Minute) oder die der Beklagten (maximal 30 Sekunden) die bessere ist. Jedenfalls sei die Zeitdifferenz so kurz, dass nicht angenommen werden könne, die beiden Hunde hätten sich zuvor getrennt und jeweils eigene Dinge unternommen. Es sei zur Überzeugung der Kammer vielmehr so gewesen, dass beide Hunde, den Parteien vorauslaufend, sich gemeinsam betätigt hätten und sodann zurückgekehrt seien. Dabei sei „Flynn“ deswegen zurückgekommen, weil zuvor „Atlas“ zurückgelaufen sei. Dies folge nicht zuletzt aus dem Umstand, dass „Flynn“ rannte und bei der Wahl seines Wegs keine Rücksicht auf seine Halterin, die Beklagte, oder auf die Klägerin genommen habe. Dass die Hunde stets aufeinander reagieren würden, liege aufgrund der Gesamtumstände auf der Hand: Sie durften unangeleint herumtollen, und sie haben dies natürlich zu zweit getan, weil es interessanter ist. Gerade der Umstand, dass „Flynn“ die Klägerin rammte, lasse nach Einschätzung der Kammer zudem darauf schließen, dass er nicht auf sie geachtet habe, sondern auf „Atlas“.

 

Sodann führt die Kammer in ihrer Urteilsbegründung aus, dass die Klägerin sich aber nicht nur die Tiergefahr ihres eigenen Hundes „Atlas“ entgegenhalten lassen müsse, sondern auch ihren eigenen Mitverschuldensanteil. Da beide Hunde unangeleint, aber aufgrund der Sträucher und Bäume am kurvigen Weg zeitweise außer Sicht gewesen seien, habe sie jederzeit mit deren Rückkehr rechnen müssen. Als „Atlas“ ihr dann entgegenkam und an ihr vorbeilief, hätte sie annehmen müssen, dass auch „Flynn“ nicht weit entfernt ist und bald folgen würde.  Dem stehe auch nicht entgegen, dass die Klägerin aufgrund der vor ihr laufenden Beklagten keine freie Sicht hatte, da es ihre freie Entscheidung gewesen sei, unmittelbar hinter der Beklagten zu gehen.

 

Nachfolgend lehnt die Kammer auch eine Haftung der Beklagten aus unerlaubter Handlung ab. Die Beklagte habe nicht schuldhaft gehandelt, als sie dem auf sie zu rennenden Hund „Flynn“ ausgewichen sei, womit sie ihm den Weg zur Klägerin freimachte. Angesichts der Geschwindigkeit, mit der „Flynn“ nahte, habe die Beklagte nur wenig Zeit zu reagieren gehabt. Ähnlich wie bei Verkehrsunfällen müsse man ihr dabei eine Reaktionszeit von einer Sekunde zubilligen. Wie nah

„Flynn“        ihr       da        schon        gekommen       sei        und       welche

Handlungsmöglichkeiten ihr dann noch geblieben seien, sei weder vorgetragen noch ersichtlich. Bei einem gemeinsamen Spaziergang zweier Personen mit ihren Hunden sei es nicht die Aufgabe jedes Halters, die jeweils andere Person vor Gefährdungen durch das normale, hundegerechte Verhalten des eigenen Tieres – hier: dem Rennen – zu schützen. Schon gar nicht habe sich die Beklagte aufopfern müssen, indem sie stehenbleibt, um „Flynn“ zu stoppen. Anders als die Klägerin meint, habe die Beklagte - nach Ansicht des Gerichts - sie auch nicht warnen müssen, dass „Flynn“ sich nähere. Denn die Situation sei für die Beklagte unverhofft gekommen. Zudem sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass es der Klägerin im hypothetischen Fall einer Warnung gelungen wäre, dem Hund rechtzeitig auszuweichen. 

 

Das am 10.07.2024 verkündete Urteil zum Az.  2 O 207/23  ist nicht rechtskräftig und in Kürze unter www.nrwe.de im Volltext abrufbar. 

 



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